Wenn der Damm bricht
Wo der Mensch grossflächig in die Natur eingreift, um seinen Energiebedarf zu stillen, hat das oft gravierende Konsequenzen für die Natur. Auch Staudämme als Quelle von erneuerbaren Energien gehören oft dazu. Siedlungen und kulturelles Erbe werden geflutet, Ökosysteme zerstört und damit auch die Lebensgrundlage von vielen Menschen, die in der Nähe wohnen oder vom gestauten Fluss abhängig sind. Die neue Kontrolle über das Wasser birgt zudem Konfliktpotential mit den flussabwärts liegenden Staaten.
Kontroverse Staudamm-Projekte
PUBLICA hält Aktien der in Österreich ansässigen Andritz AG, einem internationalen Technologiekonzern. Bei drei besonders kontroversen Staudammprojekte lieferte Andritz die Turbinen und Generatoren der Wasserkraftwerke: Belo Monte in Brasilien, Ilisu in der Türkei und Xayaburi in Laos. Andere internationale Partner waren auf öffentlichen Druck hin bereits ausgestiegen. Andritz als Zulieferer konnte die Bauvorhaben nur beschränkt beeinflussen. Die Tatsache allein, dass Andritz überhaupt involviert war, warf jedoch ein schlechtes Licht auf das Unternehmen: Der Xayaburi Damm, der 2019 fertig gestellt wurde, wird für den Rückgang der Fischbestände im Mekong verantwortlich gemacht, die Lebensgrundlage für Millionen von Menschen. Der Damm wurde vom WWF als einer der schädlichsten Staudämme der Welt bezeichnet.
Konstruktiver Dialog
Als langfristig orientierte Investorin ist es PUBLICA ein Anliegen, dass Unternehmen ESG Risiken umfassend berücksichtigen. Deshalb unterstützte PUBLICA, dass der SVVK-ASIR zusammen mit seinem Partner Sustainalytics den direkten Dialog mit Andritz suchte. Die entscheidende Frage dabei: Wie geht Andritz heute mit Projekten um, die zwar attraktiv sind, aber hohe Nachhaltigkeitsrisiken bergen? Würde das Unternehmen solche Risiken künftig frühzeitig erkennen? Das Unternehmen hatte als verschlossen gegenüber solchen Fragen gewirkt, schlussendlich kam aber tatsächlich ein Dialog zustande.
Resultate erzielt: Nachhaltigkeit strategisch verankert
Im Verlaufe der Gespräche zeigte sich, dass schon einiges praktiziert, aber noch nicht formell verankert wurde oder gegen aussen kommuniziert wird. Andritz bestätigte, dass eine Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung Pflicht für alle Grossprojekte sei und legte die Kriterien dar. 2020 nannte Andritz die «Einhaltung rechtlicher und ethischer Normen» als wichtigstes ESG-Thema. 2021 wurde eine ESG-Strategie bekanntgegeben mit dem Ziel, ESG- Risiken besser in die Standardsysteme einzubinden. Zweitens bestätigte uns Andritz, aktiv am neuen Hydropower Sustainability Assessment Protocol (HSAP) mitgewirkt zu haben, das von der Wasserkraftindustrie, den Umweltverbänden und Entwicklungsländern gemeinsam entwickelt wurde. Das Protokoll dient als Messinstrument und soll insbesondere die nationalen Behörden und Auftraggeber von Dammprojekten für die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards sensibilisieren. Das Projekt wird auch von der Schweiz finanziell gefördert. Schliesslich bestätigt auch ein Blick auf die Analysen verschiedener Researchpartner, dass sich die Kontroversen-Bilanz von Andritz stark gebessert hat. Seit dem Höchstwert von März 2011 ist das Risiko von weiteren Vorfällen seit Juli 2020 sukzessive gefallen und wird aktuell von allen Anbietern als gering bis moderat bewertet.
Andritz ist auch anderen Akteuren wie der österreichischen «Finance & Trade Watch» aufgefallen. Gut möglich ist es, dass auch Kundinnen und Kunden Druck ausgeübt haben. Die Schritte in Richtung Nachhaltigkeit, die Andritz unternommen hat, sind deshalb nicht dem SVVK-ASIR und Sustainalytics alleine zuzuschreiben. Das Engagement des SVVK-ASIR hat aber zweifellos die Bedeutung untermauert und die Ergebnisse des Dialogs sind erfreulich.